Zuletzt aktualisiert am 29. Juli 2023 von Tanja

Wenn im Juli die Blätter deiner Kohlpflanzen aussehen wie ein Schweizer Käse, dann könnte dieser kleine, rüsselige Geselle sein Unwesen treiben: der Gefleckte Kohltriebrüssler (Ceutorhynchus pallidactylus). Zu erkennen am „Rüssel“ und dem hellen Fleck zwischen den „Schultern“.

Nachdem ich die Blattläuse dank zahlreicher Marienkäfer weitgehend aussitzen und Fraßspuren am Kohl zu den im Pflanzenherz sitzenden Eulenfalter-Raupen zurückverfolgen konnte, kam im Juli die nächste Plage über den Kohl.

Bereits im letzten Jahr haben mich die Kohltrieb-Rüsselkäfer beehrt und die Ernte von Radieschen, Mairüben, Asia-Salat und Rettich eliminiert. Diese vier Pflanzen gehören auch zur Familie der Kreuzblütengewächse, sind also nahe Verwandte des Kohls. Besonders beliebt sind die jungen und halbwüchsigen Pflanzen, bei denen die Blätter noch zart sind.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass hier Erdflöhe ihr schabendes Werk verrichten. Viele kleine, runde Löcher in den Blättern oder sogenannter Fensterfraß, bei dem die obere Blattschicht abgeschabt wird, sodass nur die Mittelschicht wie ein Fenster stehen bleibt. Auch optisch könnte man die beiden auf den ersten Blick verwechseln. Die Unterscheidung ist trotzdem recht einfach: mit der Fingerprobe.

Wenn du versuchst, einen Erdfloh zu berühren, wird sich der schwarz-glänzende und manchmal auch schwarz-gelb gestreifte Erdfloh mit seinen kräftigen Hinterbeinen davon katapultieren. Schneller als du gucken kannst. Daher auch der Name „Floh“, obwohl der Erdfloh kein Floh, sondern ein Käfer ist.

Der schmutzig braune Kohltrieb-Rüsselkäfer dagegen wird sich bei Berührung einfach fallen lassen.

Seine Strategie ist die „Verwandlung“ in einen Erdkrümel. Die Beinchen werden dazu an den Körper angezogen, sodass du ihn, selbst wenn du ihn in mit der Hand auffängst, nicht von einem bisschen Dreck unterscheiden kannst.

Er ist allerdings nicht mit Geduld gesegnet. Schon nach wenigen Sekunden werden die sechs kleinen Beine wieder ausgefahren und er dreht sich zappelnd um. Dann flieht er so schnell ihn seine Beine tragen und hebt bei Gelegenheit sogar ab. Ja, Rüsselkäfer können fliegen.

Und dieses Jahr hat es meine Anfang Juni gepflanzten Spitzkohl-Pflanzen ganz arg erwischt. Bestimmt einige Hundert Kohltriebrüsselkäfer feierten hier eine Party, sodass die Blätter bald einem Sieb glichen. Meine Versuche, die gierigen Tierchen durch Bestäuben mit Gesteinsmehl oder Zwiebel-/Knoblauchsud zu vertreiben, waren im letzten Jahr nicht von großem Erfolg gekrönt.

Durchlöchertes Kohlblatt mit schwarzen Käfern

Es braucht schon etwas Stärkeres, um eine Rüsslerparty aufzulösen. Dieses Jahr habe ich darum zum Äußersten gegriffen: Neemöl, auch Niemöl genannt. Das Öl wird in Indien aus den Samen des Neembaumes gepresst und findet auch in der Kosmetik und Naturheilkunde Anwendung. Im Biogarten wird es als natürliches Insektizid eingesetzt und gilt als nützlingsschonend, ich vermeide den Einsatz trotzdem nach Möglichkeit. Eine kleine Menge wird mit reichlich Wasser verdünnt (5–10 ml pro Liter) und dann direkt großzügig auf die Tiere und befallenen Blätter gesprüht. Außerdem habe ich den Rest als Gießwasser genutzt, denn die Pflanzen nehmen die Wirkstoffe auf und wer dann daran saugt oder knabbert, dem bekommt das nicht. Wir Zweibeiner können die mit Neem behandelten Pflanzen aber problemlos essen, vielleicht nicht gerade die frisch gespritzten, aber das würde ja auch keinen Sinn ergeben.

Wenn du jetzt erwartest, dass die Krabbler nach der Spritzung am nächsten oder übernächsten Tag die Beinchen gen Himmel strecken und das zeitliche Segnen muss ich dich leider enttäuschen. Als eine Woche nach der Behandlung noch immer Heerscharen der Käfer sich an den Blättern gütlich taten und es eher noch mehr wurden, hätte ich schon fast aufgegeben. Um den Druck auf die Pflanzen zu reduzieren, bin ich zur Sammel-Methode übergegangen. Ein dünnes weißes Tuch, ich habe ein Passiertuch genutzt, wird unter der Pflanze auf dem Boden ausgebreitet und du streichst mit den Händen über die Blätter, sodass sich alle Käferchen fallenlassen. Dann hebst du das Tuch vorsichtig an, sodass sie darin gefangen sind. Anschließend geht es in eine Schale mit kochend heißem Wasser.

Das unter der Pflanze ausgebreitete Tuch fängt die Rüsselkäfer ein. Hierbei nutzt du die Eigenschaft der Kohltriebrüssler, sich bei Gefahr fallen zu lassen, schamlos aus.

Kleine schwarze Käfer in einer Schüssel Wasser.

Ein Bad in heißem Wasser führt zum schnellen Tod. Diese Menge Rüsselkäfer befanden sich an EINER Kohl-Pflanze.

Ich plante dies nun einmal am Tag zu wiederholen und so den schlimmsten Schaden an den Pflanzen abzuwehren. Als ich aber am nächsten Tag wieder mit Tuch und Schüssel anrückte, waren nur noch vereinzelt ein paar Rüsselkäfer zu sehen. Und die waren auch nicht mehr sehr agil. Das Neemöl hat also nach gut einer Woche doch seine Wirkung entfaltet!

Die Kohlpflanzen bekommen jetzt noch wöchentlich eine Flüssigdüngung und ich hoffe, dass sie sich von dem Befall erholen und ich im Herbst feine Spitzkohl-Köpfe ernten kann.

Kohlpflanze mit durchlöcherten Blättern.

Gut eine Woche nach der Neemöl-Behandlung sind keine Käfer mehr zu entdecken. Die durchlöcherten Blättern erinnern weiterhin an den Befall. Wichtig ist, dass die neuen Blätter gesund nachwachsen.

Es bleibt die Überlegung, wie ich im nächsten Jahr meine Kreuzblütengewächse vorbeugend schützen kann.

Die gute Nachricht: Der gefleckte Kohltriebrüssler bildet nur eine Generation pro Jahr. Was hier im Juli an meinen Pflanzen saugt, sind die frisch geschlüpften Jungkäfer, die sich für die bevorstehende Überwinterung dick und rund fressen möchten. Überwintert wird in dichten Hecken oder im Waldrandbereich. Von dort starten die Käfer im zeitigen Frühjahr und fliegen in Rapsfelder oder überwinternde Kohlpflanzungen. Nach der Paarung werden die Eier in die Blattstiele oder Stängel gelegt und die Larven ernähren sich vom Stägelmark. Dann verlassen sie die Pflanze und verpuppen sich im Boden. Dort schlüpft dann Anfang Juli die neue Generation Käfer, die dann gerne zu jungen Kohlpflanzen fliegt.

Dass es den Spitzkohl in dem Beet besonders schlimm getroffen hat, liegt gut möglich daran, dass im selben Beet zwei Sprossenbrokkoli-Pflanzen über den Winter standen und diese erst im Mai geerntet werden konnten. Die perfekten Wirtspflanzen für die Eiablage gepaart mit dem perfekten Aufzuchtfutter für die Jungkäfer, praktisch ein Rüsselkäferparadies.

Die beste Vorbeugung wäre sicher, die Pflanzen ab Mitte/Ende Juni mit einem feinmaschigen Netz zu schützen. Viele bauen Kohl generell nur unter Netzen an, weil einfach ihn zu viele zum Fressen gernhaben. In der Mischkultur ist es mit Netzen aufgrund der unterschiedlichen Wuchshöhen eher schwierig und eine Augenweide sind die Dinger auch nicht gerade.  Möglicherweise verdirbt auch das Gießen mit einer leichten Neem-Lösung ab Mitte Juni den Kerlchen den Appetit. Ich werde das testen.

Und wie sieht es bei dir in den Beeten mit gefräßigem Besuch aus? Schreibe mir gerne einen Kommentar, ob du „nur“ mit Blattläusen, Erdflöhen und Raupen kämpfst oder dieses Jahr auch Besuch der Rüssler hast.