Zuletzt aktualisiert am 17. Februar 2023 von Tanja
Der Frühling naht, es geht wieder los! Auf Facebook, Instagram und Co. freuen wir uns über die Bilder der ersten Anzuchten des Jahres. Fröhlich sprießen auf der Fensterbank bereits die ersten Chili, Paprika, Tomaten und manch anderes. Doch nicht über jedes stolz geteilte Bild ist die Freude ungebrochen, gerade bei den Anzuchten sehr früh im Jahr von unerfahrenen Gartenfreunden. Manche Bilder zeigen ungesund lange Keimlinge und schwächliche junge Pflänzchen ohne Überlebenschance. Das gefürchtete Urteil lautet dann: „Die sind vergeilt!“
Als vergeilt bezeichnet man in der Gartenwelt, Pflanzen, die zu wenig nutzbares Licht erhalten und in ihrer Not sogenannte Angsttriebe bilden, um doch noch die benötigte Lichtmenge irgendwo zu erreichen.
Mancher war sich dessen gar nicht bewusst und fällt von Wolke 7. Andere frisch gebackene Jungpflanzeneltern sind nun verunsichert, ob nicht ihre Schützlinge auch schon vergeilt und damit dem Tode geweiht sind. Hier kommen darum jetzt 5 Tests, an deren Alarmzeichen du erkennst, ob deine kleinen Keimlinge oder Pflänzchen schon SOS funken.
1. Der Längen-Test
Wenn sich aus dem Samenkorn die ersten zwei Keimblätter geschält haben, dann sollten diese stabil auf einem kurzen Stiel stehen. Stiellängen über 5 cm sind höchst verdächtig.
Dies gilt nur für zweikeimblättrige Pflanzen, nicht für Zwiebeln/Lauch oder Mais.

Der Längen-Test: Zu lange Stängel machen instabil.
2. Der Hauben-Test
Wenn deine Jungpflanzen oben an die Haube deiner Anzuchtschale stoßen, dann starte einen neuen Versuch. Entweder die Stiele sind viel zu lang oder die Pflanzen stehen schon viel zu lange unter der Haube, vermutlich beides. Die Haube auf der Anzuchtschale hält die Aussaat feucht und die Keimtemperatur gleichmäßiger, dies ist besonders bei Lichtkeimer, die nicht oder kaum mit Erde bedeckt werden, hilfreich. Aber sie muss sofort ab, wenn die Keimlinge ihre ersten Blätter (die Keimblätter) haben.

Diese Keimlinge haben den Längen- und Hauben-Test nicht bestanden.

Der Hauben-Test: Zu warm, zu wenig Licht, viel zu lange unter der Haube.
3. Der Anbinde-Test
Du hast deine Jungpflanzen anbinden müssen, weil sie nicht alleine auf ihrem Stängel stehen können? Starte einen neuen Versuch.
Erst beim Abhärten im Freiland binde ich meine Tomaten- und Paprika-Jungpflanzen sicherheitshalber locker an einem in die Erde gesteckten Stab an, damit sie bei starkem Wind nicht umknicken. Leichten Wind oder das Darüberstreichen mit der Hand müssen sie wegstecken können (siehe Test 4).
4. Der Kerzen-Test
Deine kleinen Pflänzchen haben Test 1–3 mit Bravour bestanden? Dann stellst du jetzt ihre Standhaftigkeit auf die Probe. Stelle dir vor, deine Mini-Pflanze ist eine brennende Kerze, die du mit kräftigem Pusten auslöschen möchtest. Puste also kräftig dagegen. Bis auf ein leichtes Wackeln sollte dein Pflänzchen vollkommen unbeeindruckt sein.
Du solltest sogar regelmäßig deine Jungpflanzen anpusten, oder mit der Hand darüberstreichen. So simulierst du den Wind und die Pflanzen bilden kräftigere Stängel und die brauchen sie später unbedingt. Manch einer stellt zu diesem Zweck auch einen Ventilator neben den Pflanzen auf, der, über eine Zeitschaltuhr gesteuert, pustet.
Der Kerzentest: Für kräftige Jungpflanzen kein Problem!
5. Der Reck-Test
Hier prüfen wir nicht die Sportlichkeit deiner Pflänzchen, sondern, last but not least, natürlich noch die Frage, ob sich deine Pflänzchen zum Licht recken und strecken. Dies ist meist sogar das erste Zeichen von SOS, dass dir deine Pflänzchen senden. Auf der Fensterbank, wo naturgemäß das Licht nur von der Seite kommt, ist ein leichtes Strecken zum Fenster sogar unvermeidlich. Darum drehst du sie vermutlich immer mal wieder um. Solange sie nicht zu lang und instabil werden, ist das kein großes Problem. Achte aber darauf, dass du die Temperatur eher niedrig hältst und bringe sie bei warmen Außentemperaturen auch schon mal tagsüber zur Kräftigung an die frische Luft.

Wir recken uns zum Fenster. Jetzt bald umsetzen!

Gerettet: Tiefer gepflanzt und mit extra Licht steht die kleine Tomate bald kräftig da.
Erste Hilfe oder Neubeginn?
Deine Pflänzchen haben die Tests 1-4 nicht bestanden? Jetzt heißt es schnell reagieren: Tomatenpflänzchen lassen sich oft retten, indem du sie umpflanzt und im neuen Topf so tief wie möglich setzt, am besten bis zu den Keimblättern. Die Pflanzen bilden am (jetzt unterirdischen) Stängel neue Wurzeln. Das klappt (bedingt) auch bei Paprika. Am wichtigsten ist natürlich, dass du die Bedingungen verbesserst: mehr Licht, geringere Temperatur oder beides.
Sind die Symptome sehr ausgeprägt, ist es besser, wenn du die Aussaat neu startest. Ich bin kein Fan davon, schwächliche Gemüsepflanzen noch gerade so durchzukriegen oder aufzupäppeln. Oftmals macht beim Auspflanzen die „Gartenpolizei“ dann kurzen Prozess und verwertet sie auf ihre Art.
Noch unsicher?
Bist du dir immer noch unsicher, ob deine Anzuchten prima stehen oder schon vergeilt sind? Dann poste gerne ein Bild in den Kommentar.
Ich habe eine Frage und zwar sind meine Tomaten vergeilt wenn ja kann ich sie noch retten
Liebe Marry, ja, leider sind die Tomatenkeimlinge vergeilt. Vermutlich hattest du sie zu warm und bei zu wenig Licht stehen.
Um sie noch zu retten, könntest du sie bis zu den Blättern in einen Topf mit Anzuchterde setzen, der müsste aber so hoch sein, dass der lange Stiel gerade hineinpasst.
Ehrlich gesagt, würde ich in diesem Fall die Tomaten noch einmal neu aussehen und diesmal einen helleren und kühleren Platz wählen.
Gutes Gelingen 💚
Viele Grüße,
Tanja
Hallo Tanja,
ich habe zum ersten Mal Radieschen ausgesät, ich befürchte aber, sie sind vergeilt?
Ich würde sie jetzt umtopfen und hoffen, dass sie noch was werden!
Liebe Grüße
Hallo Nadja, ja, die Radieschenkeimlinge hatten etwas zu wenig Licht. Radieschen sind aber auch wirklich Blitzgemüse, die brauchst du gar nicht in Töpfchen vorziehen, da machst du dir unnötig viel Arbeit. Säe sie jetzt einfach direkt ins Beet (in einem 30 cm Quadrat wachsen 16 Stück) und in wenigen Wochen kannst du knackige Radieschen ernten. Für eine laufende Ernte säst du am besten im Abstand von 2-4 Wochen ein neues Quadrat aus.
Viele Grüße und gutes Gelingen!
Tanja
Hi Tanja,
Danke für deine Tipps!
Meinst dich die Keimlinge sind noch zu retten – und wenn ja, wie?
Offenbar waren sie auch zu lange unter der Haube; habe sie zwischendurch schonmal tiefer in die Erde gesetzt, der Fortschritt ist seitdem aber sehr überschaubar. Die meisten verlieren die Farbe ihrer Blätter und/oder werden braun…
Lohnt es sich noch, die jetzt zu pikieren und in einzelne Töpfe zu setzen um sie zu retten?
Besten Dank dir
Christof
Hallo Christof, die Keimlinge scheinen tatsächlich einzugehen… fragt sich warum? Vielleicht zu nass oder die Erde oder Verletzung beim Pikieren…
Ehrlich: In diesem Stadium sollten Tomatensämlinge ca. 5-7 Tage nach der Aussaat sein und dann flott weiterwachsen. Ich würde jetzt schnell nochmal neu säen. Wenn die Neuen etwas größer als die jetzigen sind, kannst du sie in einzelne Töpfchen pikieren. Dabei nur an den Blättchen anfassen (der Trieb wird sonst sehr schnell gequetscht und das Pflänzchen stirbt) und die Wurzel mit einem Stäbchen vorsichtig aus der Erde lösen. Wieder in Anzuchterde bis zu den Keimblättern einsetzen.
Viel Erfolg!
Hallo,
ich versuche mich dieses Jahr zum ersten Mal selber an Tomaten aus Samen, die ich letztes Jahr gezogen habe.
Anbei ein Bild. Den rechten und linken Topf habe ich am Sonntag (vor grade mal 4 Tagen) gesät – das sind zwei verschiedene Sorten; den in der Mitte erst heute.
Der rechte Topf sieht mir sehr danach aus, als ob die Kleinen vergeilt sind, oder? Ich habe sie jetzt von dem Fensterbrett über der Heizung auf einen Platz ohne Heizung gestellt, aber sind die noch zu retten?
Hallo Florian, das hast du jetzt genau richtig gemacht. Tomatenkeimlinge wollten sehr schnell hoch hinaus, wenn es warm ist. Jetzt sollten kühl stehen, 15-17 Grad sind optimal, dann gehen sie nicht weiter in die Höhe. Wenn sie das erste richtige Blattpaar (nach den beiden Keimblättern) bekommen, dann setzt du sie in einzelne kleinere Töpfe und dabei so tief in die Erde, dass die Keimblätter gerade noch rausschauen. Falls du nicht alle Keimlinge zu Pflanzen heranziehen möchtest, dann kannst du im rechten Topf jetzt bereits etwas auslichten, einfach bodennah abknipsen (nicht herausziehen). Und dann suchst du dir beim Eintopfen die kräftigsten aus.
Hallo Tanja, vielen Dank für die Antwort, ich werde es so versuchen.
Was hältst du von diesen 2 Gurkenexemplaren? Noch zu retten oder lieber neu säen?
Liebe Sabine,
für Gurken bist du noch etwas früh dran. Die vertragen das Umpflanzen nicht so gut (die Störungen an der Wurzel), darum am besten nicht mehr als 2-3 Wochen vor dem Auspflanzen anziehen und sie mit dem ersten echten Blatt bereits an den endgültigen Standort setzen. Gurken für Freiland also erst Mitte Mai, fürs Gewächshaus ca. Mitte April vorziehen.
Viele Grüße
Tanja
Na dann… die Samen waren bei einem Zimmergewächshaus dabei, da stand leider nichts Näheres dabei. Ich werde im Mai einen neuen Versuch starten! 👍🏻 Danke für die Info, wieder was dazu gelernt 😉
Gerne 😊
Danke für diesen Beitrag!
Ich werde meine Pflänzchen heute noch umtopfen und dabei tiefer einpflanzen. Ich bin zuversichtlich, dass sie dann noch was werden. 🙂
Ja, Carina, da bin ich auch optimistisch, zumindest für die Tomaten. Vielleicht überlegst du ihnen noch ein LED-Pflanzenlicht zu spendieren.
Vielen Dank für diesen hervorragenden Beitrag und die anschauliche Beschreibung mit Tipps!
Ja, das Licht ist ein sehr wichtiger Faktor. Wir müssen in Gottes Namen da auch zu Lampen greifen, denn in diesem alten Bauernhaus gibt es kaum Fensterbänke und nur kleine Fenster.
Danke, Irene! Ja, einen unbeheizten Raum mit großen Fenstern, am besten nach Westen, haben die wenigsten daheim. LED-Pflanzenleuchten sind mittlerweile ja aber erschwinglich und verbrauchen nicht so viel Strom.